Christian Jäger
Richtig falsch sitzen!
Warum richtig sitzen nicht geht.
Warum du durchaus auch mal so richtig falsch sitzen darfst.
Was du gegen Schmerzen vom vielen Sitzen tun kannst.
Mal ehrlich: Du sitzt zu viel und weißt es. Zumindest dürfen wir das annehmen. Der Umstand dass du vermutlich im Zentraleuropa der Gegenwart lebst reicht.
Vielleicht gehörst du sogar zu denjenigen Menschen, die tagtäglich in unserer Gesundheitswerkstatt Hilfe finden. Lumbago (Rückenschmerzen), Cervicalsyndrom (Nackenschmerzen) und Spannungskopfschmerzen sind eine Auswahl von Diagnosen, die mit zu vielem Sitzen in Verbindung stehen.
"Sitzen ist das neue Rauchen" und "Wir sitzen uns zu Tode" lauten Schlagzeilen zum Thema. Etwas reißerisch zwar, aber Zusammenhänge zwischen vielem Sitzen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie einer kürzeren Lebenserwartung sind nicht von der Hand zu weisen.
Bleiben wir aber bei den Folgen für den Bewegungsapparat. Offensichtlich wird es, wenn wir uns die Beschwerden unserer PatientInnen näher schildern lassen. Vielleicht kennst du es ja selbst: Morgens geht es eigentlich ganz gut, im Laufe des Tages setzt das vertraute Ziehen wie eine tägliche Routine ein und bildet sich zunehmend zu nagenden Schmerzen im Rücken, Nacken oder Kopf aus.
Du bist in guter Gesellschaft.
Längst stehen Rückenschmerzen an vorderster Stelle der sogenannten "Volkskrankheiten". Viele Millionen Menschen allein im deutschsprachigen Raum sind betroffen - von den Schmerzen und vom vielen Sitzen.
Was also tun? Richtig Sitzen?
Gleich vorweg die schlechte Nachricht: „Richtig Sitzen“ geht nicht. Dein Bewegungsapparat ist seinem Namen verpflichtet und liebt nun mal Bewegung. Der erste und wichtigste Tipp lautet einfach und klar:
Vermeide langes und einseitiges Sitzen, so gut du kannst.
Als "richtiges Sitzen" wird eine Sitzposition beschrieben, die für den Körper theoretisch möglichst physiologisch ist. Aber wirf das schlechte Gewissen, wenn du diese Position keinen Arbeitstag durchhältst, gern und schnell über Bord. Es geht schlicht und ergreifend nicht! Und wenn es ginge, wäre es nicht gesund.
Dein Körper braucht Bewegung. Bewegung heißt Abwechslung und heißt durchaus auch mal schlampig sitzen zu dürfen. Natürlich nicht ständig. Das soll dich aber keinesfalls davon abhalten, immer wieder diese - wir nennen sie lieber - "optimierte Sitzposition" einzunehmen:
Optimiertes Sitzen
Deine Sitzposition sollte eine möglichst natürliche und entspannte Aufrichtung der Wirbelsäule unterstützen. Der Rücken ist gerade, die Lendenwirbelsäule in einem leichten (!) Hohlkreuz.
In dieser Position kannst du auch Schultern und Nacken entspannen.
Der Kopf ist zentriert senkrecht über dem Oberkörper
Die Knie und Ellbogen sollten nicht unter 90° gebeugt sein. Ist dein Becken mindestens gleich hoch - idealerweise etwas höher - als deine Kniegelenke, bist du schon richtig.
Wenn du im Sitzen arbeitest, tust du das sehr wahrscheinlich vor einem Bildschirm. Achte darauf, dass dieser nicht zu tief ist, sodass dein Blick gerade nach vorne gerichtet sein kann. Das eine oder andere Buch unter dem Bildschirm wirkt Wunder. Als groben Richtwert kannst du einfach darauf achten, dass sich die Oberkante des Bildschirmes auf Augenhöhe befindet (bei sehr großen Bildschirmen sogar etwas höher). Laptops sind hierbei natürlich ein Problemfall. Da helfen nur externer Bildschirm und/oder externe Tastatur!

Hilfsmittel
Apropo Tastatur: Es gibt eine Vielzahl ergonomisch designter Tastaturen und Mäuse. Der gemeinsame Nenner ist immer der Versuch, eine natürliche Position für Hände, Arme und Schultern zu ermöglichen. Das heißt in der Regel, dass deine Ellbogengelenke nicht zu eng am Oberkörper anliegen und die Handflächen nicht parallel zum Schreibtisch liegen müssen.

Das klingt etwas technisch, klar. Stell dir doch mal kurz vor, du seist Obelix. Leg deine Hände jetzt auf den - natürlich nur vorgestellt 😊 - richtig dicken Bauch vor dir und schau, was mit den Schultern passiert. Ist doch gleich entspannter als über der Tastatur?
Letzten Endes heißt es bei ergonomischen Tastaturen, Mäusen u.Ä.: Probieren geht über Studieren.

Stuhl
1) Variante 1 - Der "Chefsessel"
Je detaillierter die Unterstützung deines Sessels, desto weniger Freiheit lässt er dir auch. Der fette Chef-Sessel mit verstellbaren Rücken- und Armlehnen ist bequem und hat seine Vorteile. Aber nicht nur. Beispielsweise ist es undenkbar, einfach mal verkehrt - mit dem Bauch an der Rückenlehne - zu sitzen. Das wäre aber eine sehr willkommene Abwechslung für deinen Rücken und obendrein eine gute Möglichkeit, dich aufzurichten.

2) Variante 2 - Dynamisches Sitzen
Gewissermaßen am anderen Ende der Palette stehen Sitzgelegenheiten, die dafür konzipiert sind, „dynamisches Sitzen“ zu fördern. Sie sollen dir also anbieten, die Bewegung ins Sitzen zu holen. Super Idee!
Dieser Einladung zu folgen ist nicht immer so einfach, weshalb sich Gymnstikball, Kniestuhl oder Pendelhocker in unseren Büros kaum durchsetzen können. Aber vielleicht stellen solche Sitzgelegenheiten für dich eine gute Lösung dar? Lass es uns gern in den Kommentaren wissen.
3) Stehen
Wenn die Bewegung beim Sitzen nicht ankommt, müssen wir vielleicht die Arbeit im Stehen verrichten? Hierfür gibt es Stehpulte. Mitunter sogar in Kombination mit Laufbändern, sodass du am Computer arbeitend spazieren kannst. Super Idee, die zweite!
Zugegeben: Nicht gerade einfach in der Umsetzung - und den ganzen Tag über vielleicht auch nicht das einzig Richtige? Aber - wenn irgendwie möglich - gewiss eine tolle Abwechslung. Das bestätigen uns auch in unserer Praxis immer wieder Menschen, die solche Möglichkeiten haben und nach einiger Zeit oft nicht mehr missen möchten.
Ausgleich
So weit also ein paar Überlegungen wie wir mit der Sit(z)uation umgehen können. Dennoch wird vieles Sitzen immer ungesund bleiben. Ausgleich ist also gefragt:
1) Im Büro
Wenn es die Kollegen nicht stört, spaziere beim Telefonieren herum, geh zum Kopierer, anstatt mit dem Stuhl zu rollen, richte dich immer wieder bewusst auf und strecke dich zwischendurch herzhaft. Im Idealfall baust du auch mal eine kurze Sitzgymnastik in deinen Büro-Alltag ein. Auf unserem YouTube-Kanal findest du einen kurzen "Übungs-Quickie" im Sitzen.
2) In der Freizeit
Zum Glück arbeiten wir nicht den ganzen Tag. Nutze deine Freizeit für Bewegung und Ausgleich. Mach am Nachhause-Weg einen Abstecher ins nächste Fitness-Studio, schwimm ein paar Längen, ersetz den Staub auf deinem Mountainbike-Sattel durch deinen Hintern - tu, was dir Spaß macht und was dich bewegt 😊.
Wir arbeiten übrigens schon an einem nächsten Artikel, in dem wir die Folgen des Sitzens auf deine Gelenke und Muskeln genauer beschreiben und dir auch ganz gezielte Gegenübungen dazu vorstellen!
Fazit | Der Kompromiss
Letzten Endes bleibt richtiges Sitzen ein Ding der Unmöglichkeit. Unsere Empfehlung ist daher, zumindest einen richtig guten Kompromiss zu finden:
Sitzen vermeiden, wenn es geht
Unvermeidliches Sitzen optimieren
Zudem aber auch Bewegung und Abwechslung ins Sitzen bringen
Ausgleich schaffen
Falls du Fragen zum Thema hast oder dich vielleicht auch Schmerzen plagen, wende dich jederzeit gern an uns.
Bis zum nächsten mal, p'fiat di und g'sund bleiben!